prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Politik | 20.5.2015
70 Jahre nach dem Brünner Todesmarsch: Deklaration der Stadtverordnetenversammlung ruft geteiltes Echo in Tschechien hervor

Brünn/Prag - Die Stadt Brünn bedauert die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und insbesondere den Brünner Todesmarsch. Eine entsprechende Erklärung wurde gestern von der Brünner Stadtverordnetenversammlung verabschiedet.

In dem Dokument mit dem Titel "Deklarace smíření a společné budoucnosti" (Deklaration der Versöhnung und der gemeinsamen Zukunft) heißt es wörtlich: "Die Stadt Brünn bedauert aufrichtig die Ereignisse des 30. Mai 1945 und der folgenden Tage, als Tausende Menschen zum Weggang aus der Stadt gezwungen wurden auf Grundlage der Geltendmachung des Prinzips der Kollektivschuld und der verwendeten Sprache. Auf dem Weg aus Brünn starben viele an Erschöpfung, einige wurden von der bewaffneten Begleitung erschlagen oder erschossen."

Die Deklaration geht auf eine Initiative des Stadtverordneten Petr Kalousek (Žít Brno) zurück und wurde von der Brünner Koalition (ANO, Žít Brno, KDU-ČSL, Grüne) unterstützt. Das Dokument billigten insgesamt 44 von insgesamt 55 Stadtvertretern. Die Kommunisten lehnten das Dokument ab, die Vertreter der tschechischen Sozialdemokraten und der ODS nahmen an der Abstimmung demonstrativ nicht teil.

"Wir drücken den Wunsch aus, dass alles vergangene Unrecht vergeben werden kann und wir uns nicht mit der Vergangenheit belasten", so der Brünner Oberbürgermeister Petr Vokřál (ANO) zur Bedeutung der Erklärung. Auf den offiziellen Webseiten der Stadt Brünn heißt es, der Sinn der Deklaration sei es, "an die historischen Ereignisse der Jahre 1939 - 1945 zu erinnern und würdig das Andenken an alle Brünner Opfer zu ehren".

Erste Reaktionen lassen jedoch erkennen, dass die Brünner Erklärung keineswegs einen gesellschaftlichen Konsens in Tschechien widerspiegelt. So zitiert die Nachrichtenagentur ČTK den Landeshauptmann der Region Südmähren, Michal Hašek (ČSSD), mit den Worten: "Die Politik sollte nicht die Geschichte bewerten und interpretieren. Schon allein der Begriff Versöhnung bedeutet, dass sich beide Seiten die Hand reichen. Aber wer hat sich für die Vertreibung der Tschechen aus Südmähren im Herbst 1938 entschuldigt, für die Hunderttausende hingerichteten Widerstandskämpfer in den Kaunitzer Studentenwohnheimen, für die deportierten und ermordeten Juden und Roma aus Brünn?" (nk)

Themen: Vertreibung, wilde Vertreibung, Sudetendeutsche, Protektorat, Brünner Todesmarsch, Brünn
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