prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Kultur | 7.11.2013
Der ganze Sex meines Lebens kam beim Publikum gut an / Von Gerd Lemke

Prag - „Wir lieben uns auf dem Esszimmertisch. Das Bett ist für faule Leute.“ Lida, mittlerweile 82 Jahre alt ist immer noch sexuell aktiv. „Mittlerweile brauche ich aber Gleitgel“, bedauert sie.

Sie ist die älteste Teilnehmerin in dem Theaterprojekt „Der ganze Sex meines Lebens“, die aus dem intimen Nähkästchen plaudert. Aber auch die anderen fünf Protagonisten sind in einem Alter, von dem man nicht unbedingt annimmt, dass da noch viel passiert im Bett – oder anderswo. Weit gefehlt, was die sechs SeniorInnen zu erzählen haben, zieht die Lacher über schlüpfrige und lakonisch erzählte Lebens- und Liebesgeschichten auf ihre Seite.

Als Lida von einem Monsterpenis erzählt, genießt sie sichtlich die Rolle der erfahrenen Dame, die den Jüngeren was erzählen kann.

Der Abend gestaltet sich in der Form eher wie eine Fernsehshow. Sechs Kandidaten sitzen auf dem Podium und erzählen abwechselnd von den Tiefen und Untiefen ihres sexuellen Lebens. Ein Moderator unterbricht dann und wann, um das Publikum zu befragen: „Wer hatte schon ein Mal zwei Partner zur gleichen Zeit?“ Viele trauen sich nicht die Hand zu heben, doch ebenso wie die sechs Kandidaten bei ihrer Lebensbeichte gibt es immerhin einige Unentwegte, die nicht nur gekommen sind, um sich bei anzüglichen Geschichten zu entspannen.

Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität sind auf dem Podium vertreten. František tanzt im stolzen Alter von 70 immer noch dann und wann Striptease an der Stange eines Schwulenclubs, Lidas vier dauernde Liebhaber verscheiden nach und nach. Aber auch die Deutschen haben einiges zu erzählen, es ist ein Parforceritt durch sechzig Jahre Sittengeschichte nach dem Krieg, der Mann mit den vielen Liebhaberinnen, der seine Frau zusammenschlägt, als sie auch einmal eine Nacht außer Hause verbringt. Die wilde Hippie-Zeit in westdeutschen Kommunen, in denen die Menschen nicht ganz so frei und unbeschwert sind, wir das in der Rückschau scheint.

Es sind nicht nur lustige Geschichten, welche die sechs Protagonisten, sämtlich keine Schauspieler, erzählen. Dennoch dominiert insgesamt der leichte, heitere Eindruck. Lida versucht, manchmal zu oft, den Abend an sich zu ziehen, sie fühlt sich sichtlich wohl in ihrer Rolle als Männerkonsument. Als sie von einem Monsterpenis erzählt, genießt sie sichtlich die Rolle der erfahrenen Dame, die den Jüngeren was erzählen kann.

Die Vorstellung kann sich der pubertären Albernheit nicht ganz entziehen, trotz des Kontrastes zum Alter der Protagonisten. Insgesamt ist es ein kurzweiliger Abend, bei dem es zwar ein paar Untiefen zu umschiffen gibt, der aber nie ins zotenhaft Platte abfällt. Dafür sind die Geschichten zu authentisch und interessant.

Die zweite Vorstellung findet am 7. November 2013 im Nationaltheater, Neue Bühne statt.

 

All the Sex I’ve ever had//Všechen sex mého života;
Regie: Darren O’Donnell, Konstantin Bock;
Vorstellungen am 7.11.2013, 20 Uhr im Nationaltheater,
Neue Bühne (Národní divadlo, Nová scéna)

Themen: Theaterfestival, Senioren, Lokales
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