Der Autor

Markus Höppner, Jahrgang 1989, absolviert seit 2014 ein Auslandssemester an der Karls-Universität Prag.

Eigentlich studiert er an der RWTH-Aachen Geschichte und Politische Wissenschaft im Master, den er voraussichtlich nächstes Jahr beenden wird.

Für prag aktuell ist er seit Oktober 2014 als Redakteur tätig und auch als Blogger aktiv.

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| Markus Höppner | Rubrik: Eishockey | 3.11.2014

Alle gegen Furch - Es geht nicht um die Wurst

Mein Besuch beim Prager Derby

In meinem ersten Blog-Eintrag geht es um eine der wichtigsten Sportarten in Tschechien: Eishockey. Ich bin generell sehr begeisterungsfähig für jegliche Art von Sport und habe Eishockey in den letzten Jahren durch die schwedische Familie meiner Freundin (eine Eishockey-verrückte Nation) als schnelle und harte Sportart kennen und lieben gelernt.

Leider reichten meine Erfahrungen bisher nicht über TV-Übertragungen und Fachsimpeleien auf der heimischen Couch hinaus und ich wollte schon seit langem endlich mal ein Spiel live sehen. Welches Spiel wäre da wohl besser geeignet als das Prager Derby: Sparta vs. Slavia? Es dauerte nicht lange, bis ich eine Gruppe von zehn Leuten gefunden hatte, die sich das Spiel gemeinsam mit mir ansehen wollten. Der Kauf der Tickets war selbst in der Woche vor dem Spiel überhaupt gar kein Problem. Generell scheinen hier in Prag viele Kurzentschlossene noch kurz vor dem Spiel Karten am Stadion (legal am Schalter) zu kaufen, beim Derby Dortmund gegen Schalke wohl undenkbar.

Das Spiel fand sonntags um 17.00 Uhr in der Tipsport Arena im Stadtteil Holešovice statt. Mein Freund Joschka aus Flensburg wohnt nur wenige Minuten Fußweg von dort, sodass wir uns bei ihm gemeinsam bei Chips und Bier auf das Spiel eingestimmt haben. 40 Minuten vor dem Anpfiff reihten wir uns in die Menschenströme in Richtung der Arena ein. Dort angekommen, bestätigte sich mein erwarteter Eindruck, den ich mir auf Bildern bereits gemacht hatte: Die Arena hat den Charme einer überdimensionalen Provinz-Turnhalle. Im inneren bot sich ein ähnliches Bild: "spartanische" Betongänge, "verziert" mit beigem oftmals aber bereits abgeplatzten Putz. Immerhin die Gastronomie schien nicht ganz so baufällig und da für mich beim Fußball eine "Stadionwurst" und ein Bier dazu gehören, wollte Ich diese Angewohnheit auch beim Eishockey beibehalten.

Über das Preisleistungsverhältnis des tschechischen Bieres müssen wohl keine Worte verloren werden (für den Gesamtpreis bezahle ich im Signal-Iduna Park in Dortmund den Becherpfand), aber die Wurst wusste zu überraschen. Die Scheibe Graubrot als Beilage anstatt im Brötchen serviert, das kannte ich schon von den Wurstständen in der Innenstadt. Dass die Wurst aber halbgar und gummiartig sein würde war mir neu. Da ist man nach einer halben Wurst derart "gestärkt", dass man den Rest bereitwillig mit seinen Freunden teilt.

Nach einem kurzen Aufstieg in die oberen Gefilde der Arena, erreichten wir unsere Sitzplätze. Trotz der verhältnismäßig hohen Lage, hatten wir beste Sicht über die Eisfläche und konnten auch sonst das Spektakel rund um das Spiel gut überblicken. Ich nenne es so, weil es wohl kaum anders zu beschreiben ist. Beim Einlaufen der Heimmannschaft Sparta-Prag jubelten die Cheerleader, blitzten die Scheinwerfer und die Spieler liefen brüllender Weise durch einen aufgeblasenen Torbogen ein, der einem Spartaner-Helm nachempfunden war. Die naturgemäß spärlich bekleideten Cheerleader machten sich dann auf den Weg zu ihrer eigenen Showbühne, wo sie das komplette Spiel über hüpften, lächelten und animierten. Während jedes Timeouts fuhren jeweils zwei weitere leicht bekleidete, junge Frauen zu jedem Tor und fegten gefühlte 30 Gramm Eis aus den Torräumen. Sie wurden wohl nicht wegen ihrer Arbeitskraft engagiert. Die größte Attraktion schien aber der überdimensionale Videowürfel zu sein. Der emsige Stadionsprecher wurde nicht müde, regelmäßig darauf zu erscheinen und alle möglichen Gewinnspiele, Fanartikel oder Ehrungen zu kommentieren oder anzupreisen. Ein besonderes Highlight bildete dabei ein Heiratsantrag, der live während des Spiels gemacht wurde und auf dem Würfel zu begutachten war. Die "glückliche" Braut hatte sich den Sonntag wohl anders vorgestellt, aber Sie sagte trotz aller entgeisterten Blicke "Ja" und die Halle tobte anerkennend.

Bei so vielen Nebenschauplätzen muss man als ungeübter Zuschauer schon einiges an Konzentration aufbringen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Eishockey! Wer diese Aufgabe meisterte, wurde aber wahrlich belohnt. Es war für Eishockey-Verhältnisse zwar ein sehr Tor-armes Spiel, dennoch war der Unterhaltungswert durch den Kampfgeist und die offenkundige Rivalität der Teams sehr hoch. Immer wieder krachten Spieler gegen die Banden und fielen zu Boden. Dies schien für die Zuschauer der wichtigste Aspekt des ganzen Spiels zu sein. Unaufhörlich gab es Nachhaken, Schupsen, Rempeln oder Stoßen, wenn einer der vier Schiedsrichter nicht aufpasste. Und jedes Mal ertappte ich den Fußball-Fan in mir, der leise dachte: "das wäre eine rote Karte" oder "das wären drei Spiele Sperre".

Der Spielverlauf spiegelte über weite Strecken die Tabellensituation wider, die Gäste aus Slavia (Tabellenplatz 11) hatten große Mühe, die Hausherren (Tabellenplatz 3) vom Tore schießen abzuhalten. Der alles überragende Mann bei Slavia war dabei der "Goalie" Dominik Furch! Mit seinen Verrenkungen und Reflexen, die einem Mix aus Ballet und Jackie Chan glichen, wehrte er 31 Schüsse ab und ließ kein Gegentor zu. Es war wirklich beeindruckend zu sehen, wie ein fast 1,90m großer Mann sich so bewegen kann. Mein Physiotherapeut und ich wünschten, ich könnte das nur im Ansatz. Furch war deshalb nicht nur für mich, sondern auch ganz offiziell "der Mann des Spiels". Durch die undurchdringliche Defensive wurde der weitestgehend harmlosen Offensive Slavias genug Zeit verschafft, um einen vernünftigen Angriff auszuspielen. Als sich alle schon auf eine Verlängerung eingestellt hatten, erzielte Jaroslav Bednář 41 Sekunden vor Schluss das entscheidende Tor. Die ganze Halle war mit einem Mal still, ausgenommen die kleine Schar Slavia-Fans, die sich im Freudentaumel eines Großteils ihrer Kleider entledigte. Mir war es schon mit Jacke eher kühl, aber als echter Fan kennt man da wohl nix!

Alles in allem muss ich sagen, war es eine tolle Erfahrung und ich werde mir definitiv wieder ein Eishockey-Spiel hier in Prag angucken, dann aber ohne Wurst und hoffentlich mit noch viel mehr tollen Paraden von Dominik Furch!

Bildnachweis:
M. Höppner
Tipsport Arena
Za elektrárnou 419/1 170 00 Praha-Bubeneč
Tschechische Republik

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