Der Autor

Marian Bleek, Jahrgang 1984, studiert an der Karls-Universität Prag Germanistik. Er ist Stipendiat des Erasmus-Programms für akademischen Austausch der Europäischen Union; seine Heimatuniversität ist in Bonn.

Seine besonderen Interessensschwerpunkte sind Literatur und Sprache, Schach, Sport allgemein, Politik und Geschichte.

Marian Bleek spielt seit Kindertagen aktiv Schach im Verein, zwischenzeitlich sogar in der Jugendbundesliga. Er hat ebenfalls eine wissenschaftliche Arbeit zur Funktion des Schachspiels im Mittelalter verfasst und befasst sich leidenschaftlich mit dem Spiel der Könige.

Für prag aktuell ist er seit Oktober 2014 als Redakteur tätig. In seinem Blog fasst er seine Eindrücke von der Schach-WM in Sotschi zusammen.

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Weitere Einträge

Ein Besuch im Prager Kafka-Museum
Nachbesprechung und Aussicht
Spieltag 11: Knockout für Anand
Spieltag 10: Die Luft wird dünner für den Herausforderer
Spieltag 9: In Sotschi nichts Neues - ein Turbo-Remis
Spieltag 8: Sand im Getriebe
Spieltag 6: Vergebene Chancen und die Psyche der Spieler
Spieltag 4 und 5: Die Kontrahenten schaukeln sich ins Unentschieden
Magnus Carlsen gegen Viswanathan Anand - die Revanche
Spieltag 3: Das Imperium schlägt zurück
Spieltag 2: Carlsen siegt nach starkem Angriff

Blog

| Marian Bleek | Rubrik: Sport | 18.11.2014

Schach-WM in Sotschi 2014

Spieltag 7: Härteste und längste Auseinandersetzung bisher

Das hat heute sehr lange gedauert, ganze 122 Züge. Um es genauer einzuordnen: Die Zuschauer dieser siebten Partie der Schach-WM waren Zeuge der zweitlängsten Partie, die jemals bei einer Weltmeisterschaft ausgefochten wurde, einzig die Partie zwischen Viktor Kortschnoi und Anatoli Karpov 1978 war um zwei Züge länger.

Peter Svidler, der Kommentator des englischen Livestreams, giggelte amüsiert, dass doch irgendjemand den Spielern einen Hinweis hätte geben können, damit sie diesen Eintrag in der Schachgeschichte erhalten, aber daraus wurde nichts.

Dieser siebte Kampf hatte trotzdem weitaus mehr zu bieten als diese Randnotiz.

Carlsen eröffnete wieder mit Weiß. Das lag daran, dass mit dieser Partie die zweite Hälfte des WM-Duells angebrochen ist - Anand hatte die erste Hälfte mit Weiß begonnen.

Der Weltmeister zieht also den Königsbauern und anders als in der letzten Partie, in welcher Anand sich nach der Ouvertüre mit Problemen konfrontiert sah, spielt der Inder diesmal ebenfalls den Königsbauern. Auf's Brett kommt die Berliner-Verteidigung wie in der zweiten Partie, die Anand allerdings ebenfalls verloren hatte.

Heute wird jedoch ein anderes Abspiel gewählt, die Damen werden schnell getauscht, man nimmt den schnellen Weg ins Endspiel, die Züge werden blitzartig runtergespielt. Was dann auf dem Brett steht, ist eine Stellung, die auf höchstem Niveau heiter diskutiert wird; man weiß nicht so genau, wer da eigentlich bessere Aussichten hat - also wie gemacht für das Duell dieser beiden Rechenmaschinen.

Lange folgen die beiden Kontrahenten dann ihrer Vorbereitung, die Züge werden quasi durchdekliniert. Es ist beeindruckend, welche Mengen an Varianten diese Spieler im Kopf haben, kein Zweifel daran, dass sie zurecht dort sitzen.

Das Abspulen geht bis zum 25. Zug, dann die erste Neuerung, die zur Folge hat, dass die schwarze Stellung wie Brotteig über Stunden geknetet wird - ohne dass sie an Festigkeit verliert.

Es geht hier nicht um den einen finalen taktischen Schlag, vielmehr um das Suchen und Sammeln mikroskopischer Vorteile, die in der Summe am Ende den Sieg bringen könnten.

Suchen und Sammeln haben plötzlich ein Ende, als Anand zum Läufer greift und diesen gegen zwei Bauern eintauscht. Hinterher werden sich die Beobachter fragen, ob er diesen verblüffenden Zug nicht schon in der Vorbereitung auf dem Analysebrett hatte.

Die gleichzeitig mitlaufenden Schachprogramme bewerten die Stellung sofort als besser für Weiß; glaubt man diesen Programmen, müsste der Inder jetzt eigentlich wieder verlieren, die WM wäre damit praktisch entschieden. Warum macht er das bloß? Mal sehen, wie es weitergeht.

Die Pläne sind klar: Schwarz will die übrigen Bauern vom Brett tauschen, um das Remis einzutüten, während der Weiße verbissen versucht, die Türme zu tauschen oder möglicherweise einen Bauern zu gewinnen.

Obwohl nur noch wenige Figuren auf dem Brett sind, ist das alles sehr kompliziert - Fehler werden gnadenlos mit der Niederlage bestraft.

Dennoch gelingt es am Ende Anand, seinen Plan durchzusetzen. Auf dem Brett verblieben sind neben den Königen zwei Türme und ein Springer - das ist theoretisch Remis.

Nach 6,5 Stunden ruhen die Figuren wieder, Carlsen sieht müder aus als Anand, der irgendwie gelöst wirkt, vielleicht weil er eine Vorentscheidung des WM-Kampfes nach diesem harten Stück Arbeit hat abwenden können.

So stehen noch fünf Partien aus, dreimal hat Anand Weiß , Carlsen führt nur mit einem Punkt.

Hier packt noch lange keiner sein Taschenschach wieder ein.

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