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Dienst nach Vorschrift

Prag - Messi schaut kurz zur Seitenlinie. Ach, der vierte Schiedsrichter hält bereits die Tafel mit der Nachspielzeit hoch. So spät ist es dann doch schon. Nun gut, dann wird es doch mal Zeit, den Nachweis für geleistete Arbeit zu erbringen. Hier stehe ich, ruft er seinen Mitspielern zu, hier, gebt mir mal das Arbeitsgerät rüber, hierher. Ballannahme, ein Haken, zwanzig Meter Torentfernung, ein Schuss mit links, Innenseite, mit Effet, dreht sich halbhoch in die lange Ecke, da kann sich der Torwart noch so sehr recken und strecken, der Ball sitzt.

Frankreich hoch, England tief, Schweiz neutral

Prag - Ich gehe in den Rieger-Park. Zum ersten Mal nach vier Jahren sehe ich dort wieder Fußball. Trotz der langen Zeit benötige ich keine Minute, um mich zu orientieren. Ich finde auch gleich die knorrige Linde wieder, an der ich mich einst so gerne angelehnt habe. Sie steht etwa in der Position, von der Arjen Robben bei Bayern München so gerne in den Strafraum eindringt, von rechts kommend, nach innen ziehend und dann mit links den Abschluss suchend. Im niederländischen Team spielt er aber eine andere Rolle.

Italien ökonomisch

England is in deep shit

Prag - Punktgenau mit dem Anpfiff komme ich in Fred’s Bar, mit zunehmender WM werde ich immer besser. Ich bleibe bei dem vom Vortag bewährten Rezept und trinke kohlesäurehaltiges Mineralwasser. Geboten wird Kolumbien gegen die Elfenbeinküste, zwei Sieger des ersten Gruppenspieltags. Die Elfenbeinküste ist wohl das einzige afrikanische Team, dem man bei dieser WM noch etwas zutrauen kann. Ansonsten muss die seit Jahrzehnten prophezeite Machtverschiebung vom alten auf den schwarzen Kontinent wohl wieder verschoben werden. Mehr als Kamerun kann man sich wohl nicht blamieren, für Ghana geht es gegen Deutschland bereits um alles oder nichts, Nigeria hat sich mit einem torlosen Remis gegen den Iran auch nicht für einen sicheren Tipp als Achtelfinalteilnehmer empfohlen. Von Algerien mal ganz zu schweigen, aber die arabischen Länder und Nationen haben derzeit auch wahrlich anderes zu tun, als sich um Fußball zu kümmern.

Drei haben das Rückfahrtticket gelöst

Prag - Australien gewinnt weitere Sympathiepunkte hinzu. Gelost in die wohl schwerste Gruppe des Turniers spielen die Jungs von down under alles andere als niedergeschlagen und verlangen Spanien-Killer Holland einiges ab, ehe sie sich das Genick brechen lassen und trotzdem erhobenen Hauptes vom Platz getragen werden. Robben darf nach zwanzig Minuten ein mal den Turbo zünden und den ersten Treffer setzen, doch Cahill schlägt umgehend zurück.

Eine Nullnumer auf Spitzenniveau

Prag - Belgien zieht tatsächlich bereits um 18 Uhr ziemlich viele Neugierige in Fred’s Bar. Der Geheimfavorit, der so lange unter der Hand gehandelt wurde, bis auch der letzte Wettbetrüger in Phnom Penh mitbekommen hat, dass man auf die Roten Teufel besser nicht setzt, stolpert ins Turnier. Statisch, langsam, einfallslos. Und nach einem Elfmeter auch noch hinten liegend. Ich schimpfe wild drauflos, mein Gott, sie spielen gegen Algerien, von der Mannschaft kenne ich nicht einen einzigen Spieler mit Namen.

Es müllert wieder

Prag - Das Drama nimmt seinen Lauf, ich mache tatsächlich zehn Überminuten ohne es zu merken. Sechs Zeitzonen südwestlich meiner beruflichen Verrichtung läuft derweil Müller an und versenkt das Leder vom Punkt. Während ich in einem Außenbezirk meine Tasche packe und zum avisierten Ort meiner Zuschauerpflicht trotte, geschieht, wiederum an jenem entfernten Ort, etwas, das ich nicht für möglich gehalten hätte: Kroos läuft an, bringt den Ball schön mit Schnitt an den Fünfmeterraum und Hummels köpft ein. Tor für Deutschland unter Yogi Löw nach einer Standardsituation, nach einem Eckball!

Bosnien und Herzegowina beginnt unglücklich

Prag - Trotz langer Erwägungen, wo ich diese Spiele am besten schauen kann, lande ich letztlich in Fred’s Bar. Warum auch nicht? Dort hängt eine Leinwand, dort sind wenige Leute, wahrscheinlich einige Bekannte, auch wenn ich die nicht immer unbedingt sehen möchte. Dort habe ich meine Ruhe und bin schnell wieder zu Hause. Außerdem erlebe ich einen Schweizer Fan, was ich zugegebenermaßen im Voraus nicht wissen kann. Er kommt nach mir und gibt zunächst eine komplizierte Bestellung an der Bar auf.

Italien bleibt eine Klasse für sich

Prag - Es wartet ein harter Fußballtag, der härteste des Turniers, brutto liegen elf Stunden vor mir und ich sage es vorweg, ich habe die vier Spiele an vier verschiedenen Orten gesehen. Das geht nur mit einem Höchstmaß an logistischer Feinabstimmung und entsprechender Ernährungsdisziplin. Griechenland steigt ins Turnier ein, ihm zu Ehren ziehe ich nach vier Jahren wieder mein T-Shirt von der Europameistermannschaft 2004 an. Ich bleibe in Rufweite meiner Wohnung, denn das T-Shirt wandert nach dem Spiel fein säuberlich wieder in den Schrank.

Der lange Ball ist zurück

Prag - Das Räderwerk der astronomischen Uhr im Rathaus auf dem Altstädter Ringplatz greift unbeirrt Zahn um Zahn ineinander, eine bunt zusammengewürfelte Menge verharrt gespannt davor, ihr Murmeln steigt an, denn zur vollen Stunde verspricht der Mechanismus ein Schauspiel, das bereits vor einigen Jahrhunderten die Menschen in seinen Bann gezogen hat, schließlich erhebt sich ein Johlen und mündet in einen brausenden Applaus. Niemand hier denkt dran, was sich nur ein paar Tausend Kilometer südwestlich von hier, jenseits des großen Teiches abspielt. Wirklich niemand?

Schwalbe, Picke, Pflichtsieg

Prag - Wir schreiben den 12. Juni 2014, nach einigen drückend-schwülen Tagen hat sich das Spätfrühlingswetter knapp zwei Wochen vor dem offiziellen Sommeranfang auf angenehme klimatische Bedingungen in Zentraleuropa gemildert, in der Stadt mit den hundert Türmen kann man wieder atmen. Es ist ein Donnerstag, einer wie so viele im Juni, um genau zu sein, einer von vieren in diesem denkwürdigen Jahr 2014, nichts deutet auf die folgenden Ereignisse hin.

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