prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Wirtschaft | 10.10.2013
Unternehmen und Behörden bauen große Rechenzentren auf / Softwaresektor legt überdurchschnittlich zu / Von Gerit Schulze, gtai

Prag - Der IT- und Telekomsektor ist ein Schwergewicht unter den tschechischen Wirtschaftszweigen. Mit jährlich über 20 Mrd. Euro erzielt er doppelt so hohe Umsätze wie der einheimische Maschinenbau. Durch ihre breite Anwendung in vielen Branchen sind IT und Telekommunikation den Schwankungen der Konjunktur weniger stark ausgesetzt. Wachstumsphantasie entsteht durch die Errichtung von Rechenzentren und die Entwicklung von Software.

Der IKT-Sektor in der Tschechischen Republik muss derzeit die Konjunkturschwäche überstehen. Die Verkäufe von Handys, Computern oder Peripheriegeräten stagnieren, weil die Verbraucherstimmung schlecht ist. Branchenvertreter berichten von einer äußerst schwachen Nachfrage der öffentlichen Hand nach Informationstechnologien. "Nicht nur der Sparzwang wirkt sich hier aus, sondern auch die unsichere politische Situation verbunden mit der mangelnden langfristigen Entwicklungsvision in der öffentlichen Verwaltung", erklärt Martin Zaklasnik, Sales Director bei T-Systems Czech Republic.

Unternehmen investieren derzeit nur in IT-Technik, wenn sie dadurch effizienter werden und Kosten sparen können. "Die Wirtschaftskrise bietet für uns eher Chancen", so Marktexperte Zaklasnik. "Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Firmen schlanker werden. Deshalb lagern sie viele IT-Dienste aus, wovon Anbieter wie T-Systems profitieren." Die tschechische Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom hat ihre Umsätze 2012 sogar auf 3,5 Mrd. Tschechische Kronen steigern können (Kc; 140 Mio. Euro, durchschnittlicher Wechselkurs im 1. Halbjahr 2013: 1 Euro = 25,70 Kc).

Große, anspruchsvolle Projekte gibt es weiterhin. Linde Gas hat jüngst ein Rechenzentrum in Ropice eröffnet. Von Mährisch-Schlesien aus kontrolliert das deutsche Unternehmen nun 21 Anlagen zur Luftzerlegung in Europa und Asien. Und Russlands größtes Geldinstitut Sberbank hat das mährische Brünn auserkoren, um hier die IT-Plattform für seine Europa-Expansion aufzubauen.

Das Statistikamt CSU plant, sein zentrales Rechenzentrum zu erneuern und die Regionalbüros mit neuer Hard- und Software auszustatten. Die staatliche Postgesellschaft Ceska posta hat Ausschreibungen für 3,2 Mrd. Kc gestartet, um in den nächsten vier Jahren Server und Datenspeicher anzuschaffen. Das Arbeits- und Sozialministerium installiert ein IT-System zur Verwaltung und Auszahlung von Sozialleistungen, das laut Ausschreibung ein Auftragsvolumen von 1,4 Mrd. Kc hat.

Ein riesiges Datenzentrum will Tschechiens größter Webseitenbetreiber Seznam im Umland von Prag errichten. Bislang sind die 1.500 Server des Unternehmens an zwei Standorten in der Hauptstadt verteilt. Der neue Rechnerkomplex soll rund 400 Mio. Kc kosten.

Bereits 80 Shared Service Center eröffnet

Der Boom bei Shared Service Centers (SSC), also Dienstleistungszentren großer Konzerne, sorgt für steigende Nachfrage nach IT-Produkten. Nach Informationen von CzechInvest gibt es schon rund 80 solcher Einrichtungen, die Unternehmensprozesse wie Personalverwaltung, Archivierung, Controlling oder Reiseabrechnungen dank schneller Datennetze zentral abwickeln. Bekannte Konzerne wie DHL, Lufthansa, Johnson & Johnson oder Siemens haben in Tschechien bereits SSC aufgebaut.

Neue Trends wie ausgelagerte Speicher- und Serverdienste (Cloud-Computing) verbreiten sich schnell. Jedes dritte Unternehmen im Land plant, seine IT zumindest teilweise in der "Datenwolke" abzulegen. Wie eine Umfrage des VMware Forum 2013 ergeben hat, nutzten im Mai bereits 37% aller Firmen Cloud-Dienstleistungen. Ein Jahr zuvor waren es erst 26%. Martin Zaklasnik von T-Systems bestätigt das steigende Interesse an diesen Diensten. Wurden anfangs häufig nur Rechnerkapazitäten gebucht, so fragen die tschechischen Kunden inzwischen immer mehr Datenspeicher oder Software aus dem Cloud-Netzwerk nach, so der Experte.

Wachstumspotenzial bietet der Einsatz von IT bei der medizinischen Versorgung ("E-Health"). Bislang hinkt Tschechien hier den nord- und westeuropäischen Ländern stark hinterher. Denn neue IT-Lösungen in den Gesundheitseinrichtungen erfordern Investitionen in Server, Netzinfrastruktur, Drucker und Verbrauchsmaterialien. Solche Mittel sind knapp in den Krankenhäusern. Außerdem fehlt häufig geschultes Personal zur Anwendung der Technik. Dennoch haben einheimische Hersteller wie Arbes Technologies (http://www.arbes.com), CompuGroup Medical (http://www.cgm.cz) oder ICZ (http://www.i.cz) bereits Softwarelösungen für Krankenhäuser entwickelt, die in Kliniken in Prag, Brünn oder Usti nad Labem zum Einsatz kommen.

Softwarehersteller international erfolgreich

Das Beispiel E-Health zeigt, dass die tschechischen Programmierer international überaus wettbewerbsfähige Produkte herstellen. Der Softwaresektor hat viele Erfolgsgeschichten geschrieben. Mit AVG aus Brünn hat das Land einen der weltweit führenden Antiviren-Entwickler hervorgebracht. Unicorn aus Prag ist mit Programmen zur Ressourcenplanung (ERP), zur Personalverwaltung oder zur Bearbeitung von Kundenanfragen global erfolgreich bei Firmenkunden. Und Y Soft, ebenfalls aus Brünn, sorgt international für Furore mit seinen Lösungen zur Druckkostenkontrolle.

Die gute Verfügbarkeit von Fachkräften und die Lohnkostenvorteile haben die IT-Konzerne angelockt. Sun Microsystems hat in Prag sein größtes Entwicklungszentrum außerhalb der Vereinigten Staaten aufgebaut. Red Hat beschäftigt in Brünn bereits über 200 Programmierer. Ness hat über 400 Mitarbeiter an seinen Standorten Prag, Brünn und Ostrava. Mit eigenen Softwareabteilungen sind außerdem Skype, Microsoft, Oracle, SAP oder IBM vertreten.

Auch für die schwäbische USU AG ist Tschechien inzwischen der wichtigste Produktionsstandort. In Brünn und Prostejov beschäftigt der Softwarehersteller 65 Mitarbeiter. Sie kümmern sich um Design und Programmierung, um Dokumentation und Wartung. Etwa 80% dieser Aufgaben lässt das Unternehmen inzwischen in Mähren erledigen, sagt USU-Direktor Frank Dreher. Er ist begeistert von den tschechischen Softwarespezialisten, die "größtenteils von der Uni kommen, hervorragend Englisch sprechen und oft besser ausgebildet sind als Fachkräfte in Deutschland."

Die Lohnkostenvorteile sind allerdings im Laufe der Jahre kleiner geworden. "Noch im Jahr 2000 lagen die Kosten für unseren tschechischen Standort nur bei 25 bis 30% des deutschen Niveaus", erklärt der USU-Direktor. "Heute haben wir schon 40% erreicht, mit steigender Tendenz." Dennoch sei die gute Verfügbarkeit von Fachkräften in der Region rund um Brünn und Olomouc laut Dreher weiter ein großer Vorteil.

Nach Angaben von CzechInvest waren 2012 in Tschechien über 40.500 Studenten an den Unis in Fächern mit IKT-Schwerpunkt eingeschrieben. Die Zahl der Absolventen lag mit knapp 9.000 viermal so hoch wie zehn Jahre zuvor. Informationstechnologien können an elf Hochschulen studiert werden.

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